Das Eichenblatt
*
Ein Eichenblatt klebt hier am Fenster,
verrunzelt schön, man ahnt noch das Grün -
denkt man doch fast, man sieht Gespenster,
doch weit und breit keine Eichen blühen.
*
Wo mag es wohl her gekommen sein,
auf seiner langen, weiten Reise -
gerissen vom Sturm und weg von daheim,
klebt es jetzt hier und wispert leise.
*
Es ist weit geflogen, der Freiheit gefolgt,
im Sonnenschein hell aufgeschimmert -
die Gefangenschaft hat es eingeholt,
ich höre, wie es leise wimmert.
*
Du hast ein Stück Freiheit genossen mein Blatt,
verschließ´ das Gefühl sehr fest in dir drin -
der Kerker dich jetzt eingeholt hat,
du kannst ihm nicht mehr entflieh´n.
*
Wir Menschen so plump an die Schwerkraft gebunden,
haben der Gedankenkraft doch so viel -
mit ihr kann man Fesseln überwinden,
erreichen dann doch ein fernes Ziel!
*
(Elisabeth Rosing)